Kostenlose Online-Betakurse als fatales Signal für Ersteller und Kunden

Ich gebe zu: Ich bin ein Weiterbildungsjunkie.

 

Nach jahrelangem Dürsten in der Öde der Fortbildungslandschaft meiner Arbeitgeber in der Kreditwirtschaft hat es mich mit dem Beginn meiner Selbständigkeit gepackt. Endlich frei entscheiden über die eigene Entwicklung und selbst verantwortlich sein für Fortbildungsthemen – und Kosten. Alles hat angefangen mit dem Weiterbildungsportal von video2brain (heute LinkedIn-Learning). Per Zufall bin ich auf dieses Sammelsurium von Videokursen zu diversen Businessthemen gestoßen – und war begeistert. Ich konnte aus der Fülle schöpfen und mich in alle möglichen Themen einarbeiten. Heute mal Indesign, morgen ein bisschen Videoschnitt und übermorgen Photoshop. Bis ich dann gemerkt habe, dass es eben von allem nur ein bisschen ist – und nichts richtig.

 

Online über alles

Seit zwei Jahren verspüre ich eine komplette Änderung in der Businesslandschaft. Onlinekurse und Onlinecoachings schießen wie Pilze aus dem Boden, Themen wie digitale Sichtbarkeit, SEO-optimierte Websitegestaltung, Präsenz in der Presse scheinen besonders beliebt zu sein. Bei der großen Konkurrenz haben alle das gleiche Problem:

 

-       Wie hebe ich mich in der Masse der Kurse ab?

-       Wie komme ich überhaupt an Interessenten und wie kann ich diese für mich begeistern?

-       Wie überzeuge ich dann diese Interessenten, bei mir zu buchen?

Sigrun Summercourse – 300 Kurse voller Glückseligkeit

Im Sommer 2020 wurde mir dann erstmals der „Summercourse“ der Isländerin Sigrun empfohlen, einer der aktuell erfolgreichsten Onlinemarketer. Ziel dieses Kurses ist es, die Teilnehmer innerhalb von 12 Wochen zu einem Online-Launch eines ersten eigenen Angebotes zu führen. Das Ergebnis war dann ein sogenannter „Beta-Kurs“ der kostenfrei über eine Dauer von vier Wochen durchgeführt wurde. Sigrun ist der festen Auffassung, dass diese Beta- oder Testkurse für die Generierung wertiger Referenzen der Erstteilnehmer entscheidend sind. Diese sollen dann als Baustein für das Marketing der darauffolgenden kostenpflichtigen Version der Kurse eingesetzt werden.

 

Was hat mich das geflasht und mein Weiterbildungsjunkie in mir war von neuem erweckt! 300, zumeist deutschsprachige Kurse wurde parallel gestartet mit einer unglaublichen Vielfalt zumeist attraktiver, zum Teil aber auch recht skuriller Themen. Bei der Durchsicht des umfangreichen Kurskataloges kam ich mir vor wie an Weihnachten und verspürte tatsächlich so etwas wie das viel beschworene FOMO (Fear of Missing Out), also die Angst, etwas zu verpassen.

Jetzt buchen – kostet ja nichts

In einer ersten Auswahl hatte ich dann zwanzig Themen, die mir interessant erschienen, zuletzt waren es dann noch sechs Kurse, die in die engere Auswahl kamen und die ich buchte. Letztlich verspürte ich aber aufgrund der nicht vorhandenen Kosten auch nicht den Druck in mir, diese Kurse auch tatsächlich durchzuziehen. Es fühlte sich so unverbindlich an, einfach mal sehen, ob der Kurs was taugt und mich mitzieht.

 

Im Ergebnis ging der Schuss nach hinten los. Keinen der Kurse hatte ich zu Ende geführt, wie viele der anderen Teilnehmer auch. Es blieb bei jedem Kurs nur ein harter Kern übrig, der die gesamten vier Wochen bestand hatte. Und gefühlt blieb ein schaler Geschmack. Doch woher kam der?

Commitment als Zauberformel

Meiner Auffassung nach heißt das Zauberwort „Commitment“, also die Selbstverpflichtung zu etwas bzw. der Wille, etwas Begonnenes auch richtig durchzuziehen. Und genau das fehlte bei den meisten Teilnehmern. Zwar war die Euphorie des Neuen am Anfang hoch, nahm dann aber äußerst schnell ab und ab der zweiten Kurswoche waren die Teilnahmequoten erschreckend niedrig. So ging es mir auch und letztlich habe ich von keinem Kurs etwas mitgenommen. Ich fühlte mich irgendwie schuldig - mir und dem Kursanbieter gegenüber. Meinen Teil der Abmachung hatte ich nicht eingelöst.

 

Was war geschehen? Der Zauber des Neuen hatte mich erfasst und in den Bann gezogen. Und dann ging ich aber trotzdem im Tagesgeschäft unter und konnte die präsentierten Inhalte weder richtig entgegennehmen, geschweige denn umsetzen. Aber warum war das so und war ich daran schuld?

Hoher Preis führt zur Selbstverpflichtung

Die Antwort kam drei Monate später in einem Onlinekurs mit dem Namen „Populär“. Sechs Monate sollte dieser gehen mit einem umfassenden Spektrum an Themen. Und hier verspürte ich von Anfang an den Willen, etwas zu bewegen und vor allem auch den Kurspreis von fast 2.000 EUR nicht zu verschwenden, sondern wirklich weiterzukommen. Jetzt, im Frühjahr 2021 kenne ich das Ergebnis – und es heißt JA. Der Kurs war ein voller Erfolg und ich habe noch NIE ein solch kooperative und über den Kurs andauernde Zusammenarbeit der Teilnehmer erlebt. Mehr geht nicht.

Welche Konsequenz ziehe ich daraus?

Das Angebot von Onlinekursen ist ein wichtiger und unumkehrbarer Trend in der modernen Weiterbildungslandschaft. Es gehört einiges an Konzeption und Know-how im Onlinemarketing dazu, dieses Angebot präsent zu machen und Teilnehmer zu gewinnen. Die eigentliche Durchführung ist dann oft nicht mehr das Problem, denn viele der Kursleiter sind langjährig mit ihrem Thema vertraut.

 

Meine Meinung: Kostenlose Beta-Kurse sind eine Verschwendung von Ressourcen, Zeit und Energie. Das Commitment der Teilnehmer ist nicht in dem Maße da, dass ich davon für kommende Kursrunden profitieren würde und zurück bleibt ein fader Geschmack, einerseits für die „gescheiterten“ Kursteilnehmer, vor allem aber für die frustrierten Beta-Kursanbieter. Deren Motivation und Engagement in der organisierten Vorbereitung der Kurse ist unglaublich hoch, aber das Ergebnis mit wenigen durchhaltenden Teilnehmern letztlich unbefriedigend. Kaum einer der Beta-Kursteilnehmer wird überzeugt werden können, ein sog. Upselling zu buchen, also eine kostenpflichtige Fortsetzung des Kurses.

 

Auch sonst ist es finanziell ohnehin ein Trauerspiel, denn der Vorbereitungskurs kostet viel Geld, oft auch die Erstellung der Videos und der Workbooks sowie das Hosting der Betakurse. Und all das für ein paar Referenzen?

Mein Fazit: Betakurse Ja – aber bezahlt!

Kostenlose Testkurse sind für mich das untrügbare Zeichen: Hier probiert sich jemand aus, zweifelt an seinen Inhalten und traut sich nicht, dafür Geld zu nehmen. Vier Wochen anstrengendes Arbeiten mit oft 100+ Kursteilnehmern (zumindest am Anfang) und das für nichts? Für mich ein Trugschluss. Das Fazit kann nur sein, dass hochwertige Arbeit auch einen wertigen Kurspreis erfordert – und verdient. Es muss ja nicht gleich übertrieben hoch sein – wie beim Highticket-Coaching (siehe mein Blogbeitrag hier: https://www.dirk-alfare.de/highticket-coaching-schaedigt/). Schon ein Preis von 100 EUR + führt aber zu einem ganz anderen Comittment der Teilnehmer. Kein Mensch würde dann mehrere Kurse parallel buchen, um nur mal zu sehen, wie es denn so ist. Es gilt wieder der uralte Spruch: Was nichts kostet, ist nichts! Und Mitnahmeeffekte werden so einfach gleich im Keim erstickt.

 

So gehört in die Vorbereitungsrunde der Kursersteller auch ein Teil über das richtige Mindset bei der Kurspreisbindung: „Ich bin es wert und meine Kursinhalte auch, dass ich dafür Geld verlangen darf – und muss“.

 

Ich freue mich auf weitere Betakurse und bezahle gerne für ein spannendes Thema. Und lieber dann mit 10 zahlenden Teilnehmern als mit 100 Zuschauern.

 

 

Dieser Artikel ist ein Beitrag zur Blogparade meiner lieben Businessfreundin Michaela Schächner mit dem Titel: Hassliebe kostenlose Betakurse: Zerstören kostenlose Onlinekurse den Markt – oder sind sie ein Business-Booster?

 

Wer andere, sicher auch konträre Meinungen und Artikel lesen möchte, ist hier goldrichtig: https://michaela-schaechner.de/blogparade-kostenlose-betakurse/